Der Digitale Zwilling ist überall zu finden

Laut Tetra Pak muss die Lebensmittel- und Verpackungsindustrie digital vorankommen und sich auf Industry 4.0 vorbereiten. Dies würde nicht nur zu schlankeren Prozessen führen, sondern auch die notwendige Transparenz der gesamten Wertschöpfungskette schaffen. Von Sabine A. Slaughter

Als Tetra Pak in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Hannover Messe Industrie ausstellte fragte sich fast jeder was ein in der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie tätiges Unternehmen mit seiner Teilnahme erreichen will. Wir haben uns die Argumentation angesehen und mit Johan Nilsson, VP Industry 4.0 und Digitization bei Tetra Pak gesprochen, der die Vision des Unternehmens von der "Fabrik der Zukunft" vorstellte und welche die Herstellung und Verpackung von Lebensmitteln und Getränken revolutionieren wird.
Nachdem das Unternehmen bereits mehrere Schritte des neuen Konzepts umgesetzt hat, gab es jetzt Einblicke in seine Erfahrungen und zeigte auf, wie Partnerschaften und Kooperationen die neue digitale Landschaft unterstützen.
Industry 4.0 umfasst die gesamte Prozesskette
Johan Nilsson, VP Industry 4.0 und Digitization bei Tetra Pak, sagte: „Die digitalen Störungen nehmen branchenübergreifend zu. Die Zukunft der Lebensmittelindustrie ist zweifellos digital. Es gibt kein einziges Unternehmen, das in der Lage ist, die gesamte Komplexität der Digitalisierung allein zu bewältigen, weshalb wir zusammenarbeiten und Partnerschaften bilden müssen, um einen spürbaren Mehrwert zu schaffen."
Konkret bedeutet dies, dass die Wertschöpfungskette von der Herstellung der Lebensmittel und Getränke, d.h. dem Anbau der Produkte auf dem Feld, der Beschaffung der jeweiligen Inhaltsstoffe, der Verpackungsproduktion und der Verpackung selbst, bis hin zur endgültigen Entsorgung der Verpackung, deren Recycling und Wiederverwendung digital dokumentiert werden muss. Dies geschieht über einen sogenannten digitalen Zwilling, also ein virtuell digitalisiertes Produkt, das jedem einzelnen Schritt folgt.
Der Vorteil für Hersteller, Verpackungsunternehmen, Vertriebsunternehmen/Händler und Endverbraucher ist klar - jeder weiß jederzeit genau, wo sich ein bestimmtes Produkt, eine Produktserie oder sogar eine ganze Lieferung befindet. Darüber hinaus kann der Endverbraucher die Schritte des Produkts zurückverfolgen, herausfinden, wo es angebaut, verpackt und verkauft wurde sowie welche Prozess- und Zusatzstoffe hinzugefügt wurden und Prozessschritte es durchlaufen hat, bevor es in dem Geschäft ankam, in dem es gekauft wurde. Dies schafft eine bisher nicht bekannte Transparenz. Vor allem angesichts von immer mehr Rückrufaktionen für Lebensmittel und Getränke weltweit könnte ein solcher digitaler Zwilling das Auffinden und Wiedereinsammeln von unsauberen/vergifteten/belasteten Produkten erleichtern.
Die Anforderungen an diese Transparenz sind vielfältig. Neben der Datenerhebung und -speicherung, welche im Vergleich zu früher kostengünstig ist wie Tetra Pak betonte, ist eine umfassende Rechteverwaltung erforderlich. Jeder sollte in der Lage sein, die von ihm benötigten und interessanten Daten abzurufen und zu sehen. Kooperation ist der Schlüssel zur Digitalisierung und um dieses Niveau schlanker Prozesse und Transparenz zu erreichen müssen alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten.
Da kein Unternehmen der Verpackungsindustrie oder der übrigen Wertschöpfungskette in der Lage sein wird, all dies selbst durchzuführen, hat Tetra Pak begonnen, Partnerschaftsprogramme aufzubauen, die auf einigen der bestehenden Kooperationen mit Unternehmen wie Microsoft und SAP aufbauen. Allerdings sind weitere Partner erforderlich. Die „Fabrik der Zukunft", die Tetra Pak mit diesem Konzept errichten will, wird nicht nur Industry 4.0-konform sein, sondern ein Teil davon - und jedem den Zugang zu den benötigten Informationen ermöglichen.
Vernetzte Verpackungsplattform
Im Rahmen dieser Vision wurde zudem die gemeinsame Verpackungsplattform gestartet, die Milch- und Saftkartons in interaktive Informationskanäle, vollwertige Datenträger und digitale Tools verwandelt, abgesehen von den entlang der Prozesskette gesammelten Verarbeitungs- und Produktionsdaten.
Getrieben von den Trends hinter Industry 4.0 und mit Codegenerierung, Digitaldruck und Datenmanagement als Kernstück, bringt die vernetzte Verpackungsplattform neue Vorteile für Lebensmittelhersteller, Einzelhändler und Käufer.
Die neue Verpackungsplattform bietet eine lückenlose Rückverfolgbarkeit, um die Produktion des Produkts, die Qualitätskontrolle und die Transparenz der Lieferkette für die Produzenten zu verbessern. Es hat die Fähigkeit, die Historie oder den Standort eines Produkts zu erkennen und zu verfolgen, wodurch es möglich ist, die Marktentwicklung und -resonanz sowie potenzielle Probleme zu überwachen.
Eine bessere Transparenz der Lieferkette und Echtzeit-Einblicke, die es den Händlern ermöglichen, Lagerbewegungen zu verfolgen, bei Problemen benachrichtigt zu werden und die Lieferperformance zu überwachen, sind Vorteile, die Einzelhändler und Vertriebsunternehmen erfahren können.
Für den Endverbraucher bedeutet dies die Möglichkeit, auf eine große Menge an Informationen zuzugreifen, so beispielsweise wo das Produkt hergestellt wurde, aus welchem Betrieb die Zutaten stammen, wo es verarbeitet wurde und sogar wie und wo die Verpackung recycelt werden kann.
Ivan Nesterenko, Vizepräsident, Cross Portfolio bei Tetra Pak, sagte: „Wir erschließen unseren Kunden neue Möglichkeiten, mehr Wert aus der Verpackung zu schöpfen als je zuvor. Es geht nicht mehr nur um Produktschutz und Funktionalität, es geht um Konnektivität und Interaktion. Die Zukunft der Verpackung ist zweifellos digital: Diese Markteinführung ist ein Schritt in Richtung eines wirklich intelligenten Pakets, und wir freuen uns, mit unseren Kunden auf diesem Weg zusammenzuarbeiten".
Tetra Pak hat bereits erfolgreich Pilotprojekte mit seinen Kunden durchgeführt, um das neue vernetzte Paket und seine Leistungen im Einzelhandel in Spanien, Russland, China, der Dominikanischen Republik und Indien zu testen und arbeitet dabei mit Getränke-, Saft- und Milcherzeugern zusammen. In Spanien steigerte ein Kunde seinen Umsatz durch die Scan- und Gewinn-Kampagne um 16%.
Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI
Ein weiterer Aspekt, der vorgestellt wurde, ist, dass Maschinen sowohl miteinander als auch mit den digitalen Systemen des gesamten Betriebs kommunizieren müssen, indem sie automatisch Aufgaben wie die Diagnose von Problemen, Bestellung und Lieferung von Teilen und Produkten übernehmen und bei Bedarf einen Ingenieur oder Operator unterrichten, der für den benötigten Service am besten geeignet ist. Die Technologie baut auf früheren Maßnahmen auf, um die Vorteile der Digitalisierung für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie zu nutzen, wie z.B. die Einführung von Tetra Pak Plant Secure und Condition Monitoring.
Unterstützt durch diese intelligenten Lösungen kann sich die Belegschaft auf die Verwaltung der Anlage, schnelle und fundierte Entscheidungen und die kontinuierliche Erhöhung der Produktionsleistung konzentrieren, Fehler reduzieren und Produktverschwendung minimieren.
Johan Nilsson erklärt: „Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich der Markt mit hoher Geschwindigkeit verändert. Die Anforderungen der Verbraucher in Verbindung mit den entsprechenden Vorschriften erfordern eine neue Art der Lebensmittelproduktion, die viel effizienter ist und bei allem die Lebensmittelsicherheit gewährleistet. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass der Mensch weiterhin im Mittelpunkt des Managements der Lebensmittelherstellung stehen sollte, mit digitalen Lösungen als Unterstützung."
Tetra Pak hat mit Partnern wie Microsoft, ABB, SAP und dem Anbieter von automatisierten Logistiklösungen Elettric80 an der Digitalisierung der Lebensmittelherstellung gearbeitet. Durch die Kombination dieser Spitzentechnologien mit der Lebensmittelkompetenz des Unternehmens ist es das oberste Ziel von Tetra Pak, die digitale Transformation der Lebensmittelherstellung voranzutreiben und seinen Kunden im digitalen Zeitalter mehr Unterstützung zu bieten.
Vollständige Industrialisierung der Verpackung
Alles in allem lässt sich sagen, dass die Produktion von Verpackungen und auch von Verpackungen selbst zwar oft noch ein meist arbeitsintensiver, zeitaufwendiger Prozess ist, sich aber zu einem hochindustrialisierten Prozess entwickelt, der sich auf die Industrie 4.0 vorbereiten muss. Kooperationen und Zusammenarbeit sind mehr denn je der Schlüssel, um das volle Potenzial auszuschöpfen, Prozesse zu rationalisieren und mehr Transparenz zu ermöglichen, welche im digitalen Zeitalter Voraussetzung für den Erfolg sind. Die Vision von Tetra Pak von der „Fabrik der Zukunft" ist daher nicht nur ein Anfang, sondern eine vollwertige und vergleichbare Lösung.