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113 und nur ein bisschen leiser – Happy Birthday Pressemitteilung

Am 28. Oktober 1906 kommt es unweit Atlantic City in den USA zu einem für die Pressearbeit bis heute folgenschweren Unglück. Gegen halb drei am Nachmittag springt der Zug mit der Nummer 1065 der Pennsylvania Railroad (PRR), der zu dieser Zeit größten Eisenbahngesellschaft der USA, auf einer Brücke, aufgrund einer technischen Unzulänglichkeit deren Signalanlage, aus den Gleisen und stürzt über fünf Meter in den dort zehn Meter tiefen Fluss „The Thoroughfare“. Von den insgesamt 87 Insassen kommen 53 ums Leben.

Schon vor dem Unglück sah sich die Pennsylvania Railroad wiederholt in der öffentlichen Kritik. Verbreitet wurde der Eisenbahngesellschaft Preistreiberei und gleichzeitig ein Mangel an Investitionen in die Sicherheit der Fahrgäste vorgeworfen.

Im Jahr des Unglücks begann Ivy Ledbetter Lee für die PRR zu arbeiten. Der damals 29-jährige hatte in Princeton graduiert und seit 1899 als Zeitungsreporter von der Wall Street berichtet. Aufgrund der geringen Verdienstmöglichkeiten und fordernder Arbeitsbedingungen im Journalismus hatte Lee schon 1903 begonnen, sich verstärkt der neu aufkommenden Disziplin der Public Relations zuzuwenden.

Als Reaktion auf das Zugunglück verfasste Ivy Ledbetter Lee die erste Pressemitteilung der Zeitungsgeschichte als Stellungnahme des Unternehmens. Bis zu diesem Zeitpunkt war es nicht üblich, dass Unternehmen in dieser Form die Initiative ergriffen. Pressearbeit erfolgte eher reaktiv, als Antwort auf Interviews oder journalistische Berichterstattung. Grade Krisen wurden sprichwörtlich totgeschwiegen. Die Aufgabe PR-Verantwortlicher bestand eher darin, Informationen gezielt zurückzuhalten und eine kritische Berichterstattung mit allen Mitteln zu verhindern.

Aufgrund seiner für damalige Verhältnisse entsprechend ungewöhnliche Herangehensweise gilt Lee nicht nur verbreitet als Erfinder der Pressemitteilung, sondern auch als Begründer des Krisenmanagements in der PR.
Alte Besen kehren gut

Lee war mit seiner Arbeit sehr erfolgreich. Seine Pressemitteilung zum Zugunglück wurde wenige Tage später unter anderem von der New York Times wörtlich veröffentlicht.

Anders als man vielleicht erwarten könnte, hat sich die Praxis, Medien gezielt mit Informationen aus dem Unternehmen zu versorgen, um so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, bis heute durchsetzen können. Der Grund hierfür und damit auch das bis heute gültige Selbstverständnis der Pressearbeit in der überwiegenden Mehrheit aller Unternehmen, liegt in der bereits angesprochenen, grundsätzlichen Veränderung der Kommunikationspolitik: PR und Pressearbeit sollen nicht mehr verschleiern und vertuschen, sie wollen gezielt informieren. Natürlich will eine Pressemitteilung ein Unternehmen nach Möglichkeit in ein positives Licht rücken, Transparenz und Ehrlichkeit sind jedoch wichtiger als Selbstbeweihräucherung. Außerdem hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass offen eingestandene und ausführlich thematisierte Fehler langfristig weniger Schaden für ein Unternehmensimage nach sich ziehen, als eine eher spekulative Berichterstattung im luftleeren Raum fehlender Informationen aus erster Hand. Nur wer selber kommuniziert, kann Kommunikation lenken.

Auch diese Erkenntnisse sind nicht neu, sondern finden sich bereits bei Ivy Lee, wenn er feststellt:

„Tell the truth, because sooner or later the public will find out anyway. And if the public doesn’t like what you are doing, change your policies and bring them into line with what people want.“
(Sag die Wahrheit, denn früher oder später wird die Öffentlichkeit es sowieso herausfinden. Und wenn die Öffentlichkeit nicht mag, was Sie tun, ändern Sie Ihre Richtlinien und bringen Sie sie in Einklang mit den Wünschen der Menschen.)

Die Pressemitteilung hat sich seit ihren Anfängen bis heute kaum verändert. Natürlich wurden rein formale Kriterien entwickelt, mit denen Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen vorrangig den Arbeitsgewohnheiten in Redaktionen Rechnung tragen. Das Ziel ist hierbei ganz klar, dem angeschriebenen Redakteur die Möglichkeit zu geben, eine Pressemitteilung ohne zusätzlichen Aufwand, nach Möglichkeit eins zu eins zu übernehmen. Im Stil und nach formalen Kriterien der journalistischen Berichterstattung verfasst, ist die Pressemitteilung auch heute noch eine beliebte Arbeitserleichterung und schafft zwischen Unternehmen und Medium eine Win-Win-Situation.
Die Pressemitteilung im digitalen Zeitalter – und statt oder

Als bevorzugtes Werkzeug im Umgang mit dem Print-Journalismus durchlebt die klassische Pressemitteilung in den letzten Jahren die schweren Zeiten, die auch den Alltag im Zeitungswesen maßgeblich bestimmen.

Das Medienkonsumverhalten und die Wege der Meinungsbildung, insbesondere in einer jüngeren Generation, haben sich mit der wachsenden Bedeutung des Internets im Alltag deutlich verändert. Neben Online-Formaten der klassischen Medien sind es vor allen Dingen reine Online-Medien und in stetig wachsendem Maße die sozialen Medien, die Unternehmen erreichen müssen, um über sie die Zielgruppe zu erreichen.

Auch wenn Pressearbeit für verschiedene Formate unterschiedliche Anforderungen an ihre Gestaltung stellt, sollte der vermeintliche Mehraufwand nicht dazu verleiten, die klassische Pressemitteilung vollständig aus den Augen zu verlieren. Auch wenn der Bedeutungsverlust der Print-Medien, gemessen an Auflagenzahlen und Anzahl der Formate, die sich seit Beginn der Krise am Markt behaupten konnten, nicht von der Hand zu weisen ist, sind klassische Zeitungen bei weitem nicht so tot, wie es schon vor zwei Jahrzehnten prognostiziert wurde. Im Gegenteil erfährt der Print-Journalismus in den letzten Jahren eine Renaissance in seiner Bedeutung für die Meinungsbildung. Grade wenn es um die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Informationen geht, sind Zeitungsformate reinen Online-Formaten in Umfragen meist deutlich überlegen.

Die klassische Pressearbeit, in Gestalt der Erstellung und Pflege eines Presseverteilers, des Verfassens und des Versands von Pressemitteilungen und der allgemeinen Kontaktpflege zu Medienvertretern, sollte fester Bestandteil einer unternehmerischen Kommunikationsstrategie sein und bleiben. Dabei gilt es natürlich, sich die Möglichkeiten der Technik zunutze zu machen und den veränderten Anforderungen der Medien Rechnung zu tragen. Selbstverständlich werden Pressemitteilungen heute per Mail versandt, Bildmaterial digital bereitgestellt und auch sprachlich und formal dort Veränderungen und Modernisierungen vorgenommen, wo es die angesprochenen Medien, in Reaktion auf veränderte Gewohnheiten der Leserschaft, vorleben und damit voraussetzen.

Eine zeitgemäße Content-Strategie ermöglicht es dabei, Inhalte mit geringem Aufwand für verschiedene Kanäle zu nutzen und so Reichweite effektiv zu vergrößern.
Fazit

Es hat nur etwa ein halbes Jahrhundert der Industrialisierung gebraucht, bis zumindest in den USA die ersten Unternehmen die Bedeutung der öffentlichen Meinung erkannten und zum Teil schmerzhaft feststellen mussten, dass es ein sträflicher Fehler sein kann, ihre Beeinflussung durch die Zeitungsberichterstattung alleine dem Journalismus zu überlassen.

Als verbreitet anerkannter Erfinder der Pressemitteilung sowie der allgemeinen Krisen-PR war Ivy Lee einer der Ersten, die dies erkannten und gezielt versuchten, Einfluss auf Print-Medien zu nehmen.

Die Grundprinzipien und Methoden, die er hierzu nutzte, haben inzwischen mehr als ein Jahrhundert überdauert. Die Bedeutung des Print-Journalismus hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert, ihn gänzlich abzuschreiben und in der Unternehmenskommunikation zu vernachlässigen, ist jedoch ein schwerer Fehler. Mit geringem Aufwand, unter Zuhilfenahme moderner Technik und zeitgemäßer Dienstleistungen, ist es aber möglich, klassische Pressearbeit sinnvoll neben den Werkzeugen einer modernen, digitalen Kommunikationsstrategie zu betreiben.

 

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