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„Der Trend geht zu kleineren, teils personalisierten Auflagen"

Winkler+Dünnebier (W+D) aus Neuwied am Rhein feierte 2013 hundertjähriges Firmenjubiläum. Kerngeschäft sind Maschinen und Anlagen rund um Briefumschlag und Mailing-Lösungen. Zweites Standbein: Maschinen für Hygiene-Produkte. Ein Siebtel der rund 350 Beschäftigten arbeitet in Forschung, Entwicklung und Konstruktion. Das Unternehmen hat Standorte in den USA, China, Malaysia und Großbritannien. Im Gespräch erläutert Geschäftsführer Frank Eichhorn, mit welcher Strategie sich W+D in einem insgesamt rückläufigen Markt behauptet.

Herr Eichhorn, mit der Winkler + Dünnebier GmbH leiten Sie ein gut 100-jähriges Unternehmen. Können Sie es uns kurz vorstellen?
Frank Eichhorn: Gern. Seit Gründung 1913 befasst sich unser Unternehmen mit Briefumschlägen - Anlass der Gründung war die Erfindung eines Verfahrens zu deren rotativen Herstellung. Es gab davor nur Maschinen, in die jeweils ein Bogen Papier eingelegt und in mehreren Stationen gefaltet wurde. Bei der rotativen Fertigung reicht der Prozess vom Einlegen über den Transport und das Bearbeiten bis zur Ablage des fertigen Umschlags. Diesen Prozess haben wir über die Jahre perfektioniert, beschleunigt und immer mehr Prozessschritte integriert.
Wo stehen Sie damit heute?
Eichhorn: Heute wird der gesamte Umschlag inklusive Fenster, Beleimung, Silikonstreifen und Bedruckung in einer Maschine gefertigt. Ausgehend wahlweise von weißem oder vorbedrucktem Papier, das von der Rolle kommt oder als Bogen eingelegt wird, fertigen unsere Maschinen bis zu 1.600 komplette Umschläge pro Minute. Geschwindigkeit zählt auch in unserem zweiten Geschäftsbereich. Seit den 1970er Jahren bauen wir Anlagen für Hygiene-Produkte: Inkontinenz-Einlagen und Taschentücher. Letztere mit Geschwindigkeiten von 8.000 Stück pro Minute.
„Bei W+D leben und lieben wir den Briefumschlag", heißt es auf Ihren Webseiten. Können Sie das erläutern?
Eichhorn: In der digitalen Kommunikation ist Aufmerksamkeit ein Problem. Mit Mailings per Post erreichen Werbende nachweislich sehr viel höhere Response-Raten. Wir haben 2010 mit der ehemaligen Buhrs ITM deren Expertise im Bereich Inserting übernommen – das ist das Einlegen der Sendung in den Briefumschlag. Wir sind seither der einzige Player weltweit, der komplette Mailing-Lösungen aus einer Hand bietet: Briefumschlagherstellung samt individueller Bedruckung und Inserting. Selbst das Porto lässt sich aufdrucken. Wir haben auf der letzten drupa eine Maschine vorgestellt, die ausgehend von einer weißen Rolle den Umschlag schneidet, bedruckt und dann um die Sendung herum faltet. Dabei lassen sich Sendung und Umschlag komplett personalisieren.
Nimmt der Markt solche Highend-Lösungen an?
Eichhorn: Ja. Die Nachfrage nach unseren Produkten kommt überwiegend aus Nischenmärkten. Das Gesamtvolumen von Postsendungen geht zwar zurück, aber wir glauben fest daran, dass der Briefumschlag Zukunft hat. Gerade im Direkt-Mail-Bereich werden die Sendungen immer aufwändiger und intelligenter. Die bessere Verfügbarkeit und Auswertung von Kundendaten erlaubt zielgenauer auf einzelne Kunden zugeschnittene Werbung. Der Grad der Individualisierung steigt.
Und damit auch der Anteil digitaler Druckprozesse in Ihren Anlagen?
Eichhorn: Exakt. Der Trend geht zu kleineren, individualisierten oder oft sogar personalisierten Auflagen. Das kann ein individuelles Bild sein, eine persönliche Ansprache einzelner Zielgruppen, oder es kann ein Kartenausschnitt mit dem Weg vom Haus des Kunden zum nächsten Standort des Werbenden sein. Die Information wird aus einer Datenbank gezogen, dann on-the-fly auf die Sendung gedruckt und im jeweils passenden Umschlag verpackt. Diese Individualisierung geschieht im Digitaldruck. Zugleich reagieren wir mit minimierten Umrüstzeiten und einfachen Umstellungen auf kleinere Auflagen und den verbreiteten Mangel an ausgebildeten Bedienern. Die Anforderung maximaler Geschwindigkeiten für Massenmailings weicht der Anforderung einfacher Bedienung und Umstellung. Der Digitaldruck kommt von zwei Seiten: Einerseits wirtschaftlicher Druck kleiner Auflagen für speziell ausgewählte Kundengruppen. Andererseits die vollständige Individualisierung der Sendungsinhalte.
Wie steht es um die Möglichkeit, mit solchen Lösungen international weiter zu wachsen?
Eichhorn: Da W+D seit langem in nahezu allen Ländern vertreten ist, sehen wir international begrenztes Wachstumspotential. Insbesondere im Mailing-Markt überspringen zudem viele Emerging Markets die analogen Entwicklungen. Wir schlagen zur Diversifizierung andere Wege ein.
Welche?
Eichhorn: Nicht jeder unserer Kunden kann und will sich neue Maschinen leisten, zumal unsere Maschinen sehr langlebig sind. Darauf reagieren wir mit einem voll-umfassenden Service. Wir sind während des gesamten Lebenszyklus unserer Maschinen Partner der Kunden, rüsten Anlagen nach, überholen und reparieren sie mit sehr kurzen Reaktionszeiten. Ersatzteile können wir flexibel und schnell produzieren, weltweit liefern und montieren. Zudem bieten wir über unsere Tochter POEM überarbeitete Gebrauchtmaschinen an, die wir teilweise sogar durch Integration moderner Module an die heutigen Anforderungen anpassen. Das funktioniert nur, weil die technische Basis unserer Maschinen stimmt – das auch nach 20-jährigem Betrieb. Damit Kunden das ganze Potential der Anlagen nutzen können, bieten wir ihnen zudem Trainings und Fortbildungen an.
Nimmt der Markt das Angebot an?
Eichhorn: Der Service erwirtschaftet einen signifikanten Teil unseres Umsatzes. Offensichtlich gelingt es uns, die Bedürfnisse unserer Kunden zu treffen. Durch die partnerschaftlichen Beziehungen gelingt es, Ausfälle zu minimieren und das Optimum aus jeder Maschine herauszuholen. Das erkennen unsere Kunden an. Wir haben früh erkannt, dass wir den Markt nicht ändern sondern uns nur an die Entwicklung anpassen können. Kunden stellen sich breiter auf, womit sich auch ihre Anforderungen an die Anlagen und den Service verändern.
Sie haben erwähnt, dass der Mailing-Markt eher schrumpft. Erwarten Sie da noch eine Trendwende?
Eichhorn: Das Niveau für Neumaschinen bleibt stabil. Servicegeschäft und Tissue-Markt können dagegen durchaus zulegen.
Lässt sich Ihre Expertise in der Bearbeitung inhomogener Materialien auf andere Einsatzfelder übertragen?
Eichhorn: Wir tun das schon, etwa indem wir Module an Anlagenbauer aus dem Wertpapierbereich liefern. Es gibt sicher weitere Anwendungsfelder, wo unsere Antriebstechnik und unser Know-how beim Schneiden, Kleben und von anderen Prozessschritten aus unserem Portfolio von Interesse sein kann. Doch bisher sind wir auf die Entwicklung unseres Servicegeschäfts, den Neuanlagenbau und die Nachrüstungen konzentriert. Wir können uns vorstellen, uns mittelfristig in weiteren Märkten umzuschauen.
Ihre Geschichte war mit dem Einstieg eines Finanzinvestors, Börsengang und dem Anschluss an einen Konzern zuletzt bewegt. Wie steht es heute?
Eichhorn: Wir sind wieder eine GmbH, die sich im hundertprozentigen Besitz des Körber-Konzerns befindet. Das passt. Körber ist ein international agierender Technologie-Konzern mit über 2 Mrd. € Umsatz, der lebendigen Austausch über technologische Lösungen pflegt. Wir identifizieren immer mehr Synergien. Das zahlt sich insbesondere für unsere Kunden aus.

www.vdma.org

 

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