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Additive Herstellung – viele Ideen und Ansätze

Die (R)evolution der Fertigung hat begonnen. Aufzuhalten ist sie nicht. Jedoch gibt es noch viel zu tun bis die Zukunft Einzug hält.


Von Sabine Slaughter
Wenn dieser Artikel erscheint, ist die Formnext in Frankfurt bereits Vergangenheit. Die Messe, die sich im Laufe ihres Daseins zu einer der führenden Veranstaltungen für die additive Fertigung gemausert hat gibt nicht nur eine Überblick über den status quo, sondern wirft vor allem auch viele Fragen auf. Die berühmten vier Frageworte bei einem Notruf gelten auch hier: Wer? Wie? Was? Wann? Doch handelt es sich nicht um einen Notruf im herkömmlichen Sinne – es ist eher ein eindrucksvoller Aufruf an alle Herstellungsunternehmen Industrie 4.0 und vor allem neue Fertigungsmethoden in Betracht zu ziehen. Die (R)evolution der additiven Fertigung ist so global, umfassend und wird vor allem konzeptual und später auch praktische alle Fertigungsprozesse verändern. Da kann und darf sich keiner diesem entziehen, wenn er denn auch morgen noch im Geschäft sein will.
Natürlich oder eben nicht natürlich, gilt dieses jedoch nicht nur für Unternehmen der Fertigungsindustrie sonder für alle Unternehmen – egal aus welcher Branche. Hat die industrielle Revolution vor zwei Jahrhunderten einen Quantensprung gebracht, so wird der Quantensprung, den die additive Fertigung allen Bereichen des täglichen Lebens – ob Herstellung/Fertigung oder Forschung, ob privat oder beruflich – eine noch größere Veränderung bringen. Eine Veränderung, die wir heute noch gar nicht ermessen können, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegt.
Zugegeben, im Moment ist alles noch etwas unklar, undefiniert und nicht koherent. Der Ideen gibt es zuhauf: Man könnte dieses, jenes tun, oder auch dieses oder jenes erfinden. Wäre es nicht schön, wenn....? Aber das ist alles auch verständlich: Wir erleben die Geburt der Zukunft, den Anfang von etwas, was wir bisher noch nicht ermessen können. Ist es eine Evolution? Eine Revolution? Ein Quantensprung? Mit Sicherheit alles dies und noch viel mehr, viel viel mehr.
Und da es so viele Ideen, Ansätze und Lösungsmöglichkeiten gibt, ist es für alle erst einmal verwirrend: Was kann womit und wie erreicht werden, welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Aufgabe das Produkt, die Veränderung möglich wird, greift und vor allem auch von allen anerkannt/benutzt und akzeptiert wird.
Nicht nur der Verbraucher, das Fertigungsunternehmen oder der potentielle Kunde, nein auch die Hersteller von Maschinen zur additiven Fertigung, die Hersteller von Verbrauchsmaterialien tun sich hier schwer. Jahrhundertelang wurden Sicherheitsmechanismen entwickelt, die Produkte, Herstellungsprozess und alles mit ihnen zusammenhängende Regeln. Gesetze und Verordnungen erlassen, verändert und neuen Gegebenheiten angepasst. Und da kommt jetzt ein Prozess, der bisher von fast keinen dieser herkömmlichen Regularien erfasst wurde und deren Produkte vollkommen neu beleuchtet und reguliert werden müssen.
Jedoch kommt natürlich vor der Regulierung erst einmal die Idee und der Fertigungsprozess und das fertige Produkt. Dann natürlich dessen „Statik“, wobei man natürlich neue Algorithmen beachten muss. Hinzu kommen weitere estimmungen und Regularien, Anerkennung von Länderorganen, im Bereich Medizin und Dental natürlich auch die Bestimmungen der einzelnen Kammern und Zulassungsorgane. Das ganze klingt wie ein Schwanz ohne Ende und ist zunächst einmal zu bewerkstelligen bevor diese (R)evolution sich durchsetzen wird. Dass sie dieses wird, daran hegen ich und viele andere, Experten, Techniker etc, keine Zweifel.
Dies alles was auf den ersten Blick im Moment als Chaos empfunden wird ist eine Chance. Nicht nur die Chance etwas so zu gestalten wie man es möchte, nein, eine Chance nachhaltig und trotzdem effektiv und intensiv als Einzelstück oder Massenware zu gestalten. Eine Chance, die Zukunft mit zu gestalten, diese zu formen und gleichzeitig ein Teil dessen zu sein. Derzeit schließen viele Hersteller Partnerschaften ab – Maschinenhersteller mit Verbrauchsmaterialherstellern, mit Produktionsunternehmen, mit Zulieferern und natürlich auch alle diese Parteien miteinander. Keiner, oder kaum einer der Teilnehmer dieses sich rasant entwickelnden Marktes, kann oder auch will Chancen auslassen, muss sich aber Wissen, Know-how und Fachkenntnisse, die im eigenen Haus nicht verfügbar sind, sichern.
Fahrzeugrahmen im Modell additiv gefertigtDoch nicht nur die einzelnen Maschinen sind es, welche wichtig sind. Wie im herkömmlichen 2D-Druck spielt auch hier das gesamte Zusammenspiel von Material, Technik, Software und Weiterverarbeitung eine Rolle. Alles ist abhängig von jedem und kann nur im optimalen Zusammenspiel das gewünschte Ergebnis bringen. Im Bereich der additiven Fertigung ist es jedoch noch wichtiger, dass alles aufeinander abgestimmt wird. Die gewünschte Materialstruktur, -stärke und vor allem Materialeigenschaften lassen sich nur erzielen, wenn jedes kleine Detail stimmt und alle geeigneten Positionen, wie Maschine, Material, Software und Weiterverarbeitung, in ein harmonisches Ganzes übergehen.
Gerade im Bereich Software ist es sehr kompliziert, denn nicht nur unterscheidet sich 3D-Software von der herkömmlichen Software, es gibt auch (noch) nicht genügend Blaupausen/Templates, welche als Muster herhalten können. Spezialisten um diese Software zu bedienen, die einzelnen Teile oder auch ein ganzes zu zeichnen, zu erstellen sind auch nicht unbedingt „an jeder Ecke zu finden“. Insbesondere im medizinischen Bereich, ist Forschung dabei unabdinglich – wer kann schon ein Organ des menschlichen Körpers mit allen Veräastelungen, Blutgefäßen, Zellen etc. zeichnerisch erstellen. Es wird noch einige Zeit ins Land gehen, bevor hier genügend Fortschritt erzielt wurde, um hier valide Ergebnisse zu erzielen. Aber auch im Bereich der Werkzeugerstellung, der Teileerstellung gibt es softwaremäßig noch viel zu tun. Vorteile haben hier Grafiker, die bereits im Verpackungssektor aktiv waren oder sind, da diese die Erstellung von dreidimensionalen Objekten bereits aus der Praxis kennen.
Und dann ist da noch die Weiterverarbeitung. Die Produkte, die aus dem 3D-Drucker kommen sind „roh“. Sie müssen noch poliert werden, Stege oder Halterungen entfernt werden, und und und... Und hier stellt sich als nächstes die Frage, welche im 2D-Druck auch noch nicht gelöst wurde: Alleinstehende, separate Geräte welche manuell „gefüttert“ werden müssen, oder eine Produktionsstrasse, welche von der Druckmaschine direkt in die Weiterverarbeitung führt, so dass manuelle Eingriffe auf ein Minimum reduziert werden können. Verfechter beider Lösungswege haben Argumente für und gegen die eine oder andere Lösung. Klar ist jedoch hier, dass die Anwendung bestimmt, inwieweit eine Inline- oder Offline-Weiterverarbeitung möglich und sinnvoll ist.
Wo wir gerade bei Inline- oder Offline sind: Kontrollmechanismen, Messeinheiten, sogar Dichtigkeitsprüfungen und so weiter sind ein weiteres Thema welches sowohl als auch erfolgen kann. Je weiter sich additive Fertigungsdruckmaschinen entwickeln, je wichtiger wird es werden, möglichst auch alle Variablen in einem Arbeitsgang zu prüfen.
In besonderem Maße sind die Materialhersteller und -lieferunternehmen gefragt: Sie müssen den Herstellern, den Anwendern, dem Endkunden Materialien offerieren, welche den Spezifikationen der Anwendung entsprechen. Und dabei sollten die Materialien nach Möglichkeit je nach endgültiger Produktbestimmung fester, biegsamer, leichter, weniger Masse haben, bessere Statik bieten etc. bieten als herkömmliche Materialien, die in nicht-additiver Fertigung verarbeitet werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist – neben der Farbigkeit von Produkten – auch die „Verschmelzung“ von unterschiedlichen Materialien – der Multi-Materialdruck. Drucken oder Fertigen von Teilen mit einem Material macht zumeist noch nicht ein ganzes Produkt aus und wenn schon digital additiv hergestellt, dann soll natürlich auch zukünftig der Zusammenbau möglichst entfallen. Die Fertigung von Produkten welche aus mehr als einem Material bestehen, ist zwar inzwischen eingeschränkt möglich, muss aber noch weitgehend ausgeweitet werden. Ein weiterer Punkt, der zeigt, dass die additive Herstellung derzeit noch in der Babykrippe liegt, sich aber rasant fortentwickeln wird. Bevor wir uns versehen wird die additive Fertigung bereits in den Kinderschuhen stecken und sich auf machen selbständig zu laufen.
Wird es noch große zentrale Fabrikationslokationen geben? „Made in Austria“ ist heute noch ein Qualitätsmerkmal. Wenn Produkte additiv gefertigt werden, könnten solche entfallen. Anstatt zentral zu fertigen und neben Produktionszeit noch Zeit für Verschiffung/Verladung, Versand sowie Ein- und Ausfuhrsteuern etc. zu zahlen, ließen sich die Vorlagen/Blaupausen einfacher an dezentrale additive Fertigungsmaschinen senden und vor Ort drucken. Auf ein individuell ausgestattetes Fahrzeug müsse man dann nicht mehr sechs bis zehn Wochen warten, sondern könnte dieses dann bereits sofort nach der additiven Produktion erhalten und hätte neben Zeit auch in den meisten Fällen erheblich an Zöllen gespart. Hierzu kommt noch die Nachhaltigkeit – Transport beeinflusst die Umwelt, das versenden der Blaupausen über Computer an den Bestimmungsort und der Druck vor Ort sind wesentlich nachhaltiger. Noch ist dieses Zukunftsmusik und wir müssen auf den Umbruch warten. Wie lange, das hängt von der Entwicklung der aditiven Fertigungsprozesse ab und wie schnell Qualifizierungen und Regularien die Zulassung einzelner Teile und gesamter multimaterial-gefertigten Produkte ermöglichen.
Dieser, nennen wir es einmal Quantensprung, obwohl es viel, viel mehr ist, wird zukünftig alle Bereiche des täglichen Lebens, der Arbeitswelt, der Lebensweise, der Kommunikation beeinflussen. So wie sich die meisten ihr Leben ohne Mobiltelefon, ohne Smartphone nicht mehr vorstellen können (Wie war es doch früher, als man zum Telefonieren noch an der Telefonzelle anhalten musste, dort eventuell sogar Schlange stand, wenn man nicht im Büro oder zu Hause war ...), so wird man sich zukünftig auch kein Leben mehr ohne additive Fertigung vorstellen können....

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